Ermittlung des Relaxationsverhaltens

Durch ständig steigende Prozessgeschwindigkeiten in der Kunststoff- und Kautschukverarbeitung kommt den elastischen Eigenschaften der polymeren Werkstoffe eine immer größere Bedeutung zu. Hierbei ist neben den viskosen und elastischen Fließeigenschaften auch das Relaxationsverhalten der Materialien für die Einhaltung von Dimensionen von Bauteilen verantwortlich. Das Relaxationsverhalten kann auch im Kapillarrheometer über einen einfachen Versuch bestimmt werden. Der Vorteil der Bestimmung des Relaxationsverhaltens mit dem Kapillarrheometer liegt darin, dass eine Bestimmung unter prozessähnlichen Bedingungen möglich ist. Basis hierzu ist das Maxwell Modell.


Maxwell – Relaxationszeit – Bestimmung

Das Maxwell Modell stellt ein einfaches Modell des visco-elastischen Materialverhaltens dar.

Das Maxwell Modell lässt sich durch die Hintereinanderschaltung der Grundkörper der elastischen Feder (Hooke Körper) und des Kolbens in einer Flüssigkeit (Newton Körper) zusammensetzen und durch folgende Gleichung beschreiben.

Die Stoffzeit und somit eine stoffliche Charakteristik des Materials wird nun aus dem exponentiellen Abbau der Spannung um den e-ten Teil (e=Euler-Zahl ~2,7) bestimmt.
Eine sehr interessante Anwendung der Relaxationszeit ist die Deborah-Zahl. Ist diese ≥1 sind Relaxationsvorgänge während der Verarbeitung ausgeglichen und müssen nicht berücksichtigt werden. Bei einer Deborah Zahl von De<1 treten Relaxationsvorgänge auch nach der Kunststoffverarbeitung auf und müssen entsprechend berücksichtigt werden.
 

Versuch im Kapillarrheometer

Basis des Versuchs zur Bestimmung der Relaxationszeit nach Maxwell ist ein Sprungversuch. Das Material wird hierbei zunächst mit einer bestimmten Spannung (Deformation) belastet. Diese wird dann weggenommen und der exponentielle Abbau gemessen.
Im Kapillarrheometer lässt sich ein derartiger Versuch sehr einfach durchführen. Hierzu wird das Material bei einer konstanten Schergeschwindigkeit extrudiert. Hierbei ergibt sich nach Erreichen des Gleichgewichtszustandes eine konstante Spannung (Druck). Dann wird der Stempelvorschub gestoppt und der exponentielle Abfall der Druckkurve über der Zeit aufgezeichnet, aus dem dann die Relaxationszeit berechnet wird. Versuche mit unterschiedlichen Positionen, bei dem der Stempel angehalten wird, liefern unterschiedliche Relaxationszeiten. Anhand der Abbildung 1 zeigt sich ein linearer Zusammenhang der Relaxationszeit mit der Stoppfunktion des Stempels.

Abbildung 1: Abhängigkeit der Relaxationszeit von der Stempelstoppposition im Prüfkanal

Hierbei handelt es sich um Kompressionseffekte im Material. Beim Versuch wird die Flüssigkeitssäule zwischen Stempel und Kapillare komprimiert. Diese Spannung muss zusätzlich zum Relaxationsverhalten des Materials über die Kapillare abgebaut werden. Die Extrapolation der an verschiedenen Stopppositionen bestimmten Relaxationszeiten zur Position 0 extrapoliert liefert nun die Relaxationszeit des Materials ohne Kompressionseffekte. Im praktischen Versuch lässt sich das Experiment einfach mit einer Prüfkanalfüllung bei drei Extrusionsvorgängen mit jeweils gleicher Geschwindigkeit und drei Stopppositionen über eine entsprechende Einstellung in der Software (SkriptSteuerung) durchführen, wie in Abbildung 2 dargestellt ist.

Abbildung 2: Versuch und Bestimmung der Relaxationszeit im Kapillarrheometer aus drei Stoppositionen für ein LDPE

Hierbei wird die Relaxationszeit aus dem jeweiligen Sprungversuch über der Stempelposition aufgetragen. Die Extrapolation zur Stempelposition 0 (y-Abschnitt der Geradengleichung) ergibt sich in dem gegebenen Beispiel zu 2,23 Sekunden. Die Korrelation der Messpunkte mit der Approximationsgleichung liegt mit 0,9998 sehr gut.
 

Messergebnisse am Kapillarrheometer bei verschiedenen Extrusionsgeschwindigkeiten (Vorspannungen) und Vergleiche mit Ergebnissen aus anderen Prüfverfahren

Um den Einfluss der Deformationsgeschwindigkeit auf die Relaxationszeit zu untersuchen, kann die Extrusionsgeschwindigkeit vor dem Abklingversuch variiert werden.
Mit der Extrusionsgeschwindigkeit ändert sich die Spannung im Kapillarrheometerversuch und der darauffolgende Abklingversuch zeigt einen anderen Druckverlauf. Für jede Extrusionsgeschwindigkeit ist ein Versuch mit drei verschiedenen Stempelpositionen analog zu Abbildung 2 notwendig.

Bild 3 zeigt die Auswertung von Relaxationsversuchen eines PP bei einer vorausgehenden Extrusion bei den Scherrate 9000, 1800, 900 und 180 1/s bei jeweils 3 Positionen. Hierbei sind die Stopppositionen bei hoher Scherrate (Extrusionsgeschwindigkeit) weiter auseinandergezogen und bei kleiner Extrusionsgeschwindigkeit näher an der Kapillare um genügend Extrusionszeit zur Verfügung zu haben bzw. um nicht zu weit von den Messpunkten aus zu extrapolieren. Die Messpunkte liegen für alle Messreihen sehr schön auf einer Geraden und lassen sich zur Bestimmung der Relaxationszeit sehr gut auf die Stoppposition 0 extrapolieren - der y-Abschnitte der Geradengleichungen.

Abbildung 3: Bestimmung der Relaxationszeit im Kapillarrheometer aus drei Stopppositionen für verschiedene Deformationsgeschwindigkeiten für ein PP

Bild 4 zeigt nun die vorher ausgewerteten Relaxationszeiten für die unterschiedlichen Schergeschwindigkeiten der vorausgegangenen Extrusion und die Relaxationszeit bestimmt mit dem Kegel-platte Rheometer bei vernachlässigbarer Deformationsgeschwindigkeit. Hierbei zeigt sich sehr deutlich der Einfluss der vorangegangenen Deformation und die Notwendigkeit die Relaxation im Anschluss an eine prozessnahe Deformationsgeschwindigkeit zu bestimmen. Dies ist insbesondere wichtig bei der Verwendung der Deborah-Zahl, die das visko-elastische Prozess verhalten beschreibt. Die Messung bei Prozess nahen Scherraten liefert deutlich andere Ergebnisse, was letztlich zu einer besseren Bewertung im Prozess führt.

Abbildung 4: Relaxationszeit am Kapillarrheometer bei Belastungen mit verschiedenen Scherraten im Vergleich zu Ergebnissen am Kegel-Platte Rheometer

Fazit

Relaxationszeiten können im Kapillarrheometer einfach und schnell vermessen werden. Die Relaxationszeit ist abhängig von der vorausgehenden Belastung. Neben der Stoffbeschreibung liefert die Deborah Zahl eine einfache Möglichkeit zur Entscheidung, inwieweit visko-elastische Materialeigenschaften im Prozess berücksichtigt werden müssen. Ein Vergleich der Kapillarrheometerdaten mit Daten vom Kegel-Platte Rheometer zeigt, dass sich die Werte um mehr als 50% unterscheiden können. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit der Prozess nahen Bestimmung von Relaxationszeiten im Kapillarrheometer.

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