Kapillarrheometer mit Speisextruder „CONTIFEED“

Einführung zum Kapillarrheometer

Ein Kapillarrheometer ermöglicht durch die Bestimmung verarbeitungsbeeinflussender Parameter eine genaue Charakterisierung des zu verarbeitenden Materials. Auf Basis dieser Parameter ist es möglich den Verarbeitungsprozess der Formmasse zu optimieren.
Mit einem Kapillarrheometer können Viskositäten und Schubspannungen in Abhängigkeit von Schergeschwindigkeit und Temperatur gemessen werden. Die ermittelten Werte werden mittels Modelle und Korrekturverfahren, wie z.B. der Rabinowitsch-Weissenberg Korrektur oder der Bagley Korrektur, zu nutzbaren Daten für die Prozessoptimierung umgewandelt.
Das Messprinzip ist Folgendes. Das zu analysierende Material wir in einen zylindrischen Kanal eingefüllt, mit einem Stempel verdichtet und plastifiziert. Nach einer definierten Verweilzeit wir das Material bei konstanter Stempelgeschwindigkeit durch eine kreisförmige Kapillare gedrückt. Mittels der Messinstrumente werden dann die Daten ermittelt.
Wir bieten Ihnen Kapillarrheometer in verschiedenen Ausführungen an, wie z.B. mit einem, zwei oder drei Kanalsystemen oder mit Gegendruckkammer. Des Weiteren haben Sie die Option zusätzliche Module, sogenannte „ADD-ON’s“, an den Anlagen zu installieren, welche es Ihnen ermöglichen weitere materialspezifische Eigenschaften zur ermitteln.
Ein Nachteil bei der Plastifizierung des Materials innerhalb des Kanals ist, dass damit nicht die realen Prozessbedingungen simuliert werden. Bei kunststoffverarbeitenden Verfahren, wie dem Extrudieren oder dem Spritzgießen, wird das Material vor der Verarbeitung plastifiziert, was hier jedoch nicht der Fall ist. Dadurch kann es zu fehlerhaften Messungen und damit auch zu falschen Vorhersagen über das Fließverhalten kommen, welche Produktionsausfall und Materialausschuss zur Folge haben können. Für eine möglichst realitätsnahe Messung muss somit das Material zuvor plastifiziert werden, was durch das „CONTIFEED“, einem ADD-ON für das Kapillarrheometer, möglich wird.

Abbildung 1: Prinzip eines Kapillarrheometers

Das CONTIFEED als ADD-ON

Das CONTIFEED ist eine Kombination aus einem Laborextruder und einem Ein- oder Zweikanal-Kapillarrheometer. Der Laborextruder soll das Material zuvor plastifizieren und homogenisieren, bevor es danach in die Anlage eingespritzt wird. Dies ist besonders bei Elastomeren von Vorteil, da diese häufig mit Wachsen und Weichmachern versetzt werden, um deren Gleitverhalten zu ändern. Diese Effekte der Gleitmittel werden bei der Messung ohne vorherige Plastifizierung nicht berücksichtigt. Ebenso thixotrope Effekte werden nicht berücksichtigt, da das verflüssige Material in dem Kanal nicht vermischt wird. Der Gebrauch des CONTIFEED beschränkt sich nicht nur auf Elastomere, sondern ist auch für sämtliche andere thermoplastische Kunststoffe geeignet. Mehr Informationen über das CONTIFEED und dessen Vorteile finden Sie in dem Bericht „Ein Kapillarrheometer mit kontinuierlicher Zuführung“ auf unsere Homepage, unter dem Punkt „Anwendungen & Wissen“, Rheo-Info für Kapillarrheometer.


Installation des CONTIFEED

Das CONTIFEED wird mittels eines Bypasses, direkt über der Düse, mit dem Kapillarrheometer verbunden (Abbildung 2). Dieser Aufbau ermöglich eine vollautomatische Füll- und Messroutine. Die Verweilzeit kann durch die vollautomatische Speisung des Kanals um bis zu 50 % reduziert werden. Die Abbildung zeigt eine Kombination mit einem Zwei-Kanal-System. In beide Kanäle wird gleichzeitig eingespritzt. Zusätzlich hat man die Wahl zwischen einer Befüllungseinheit für Gummi und für Pulver. Die Gummi-Fülleinheit hat eine gekühlte und genutete Einzugszone und besitzt eine spezielle Schnecke für die Plastifizierung von Gummi. Die Befüllungseinheit für Pulver ist mit universellen Einzugszonen und Schnecken erhältlich.


Einfluss der thermo-mechanischen Plastifizierung auf das Fließverhalten komplexer Thermoplaste im Kapillarrheometer

Beim standardisierten Kapillarrheometerversuch wird die Messprobe lediglich statisch-thermisch aufgeschmolzen. Hierbei wird unterstellt, dass der dadurch erreichte Schmelzezustand vergleichbar mit dem Fließverhalten des Polymers im jeweiligen Verarbeitungsprozess ist.
Mittels der folgenden Beispielmessung, soll der Einfluss der Plastifizierung auf das Messergebnis deutlich gemacht werden.

Abbildung 2: CONTIFEED

Die Messungen hierfür wurden an einem Kapillarrheometer des Typs RG75 durchgeführt. Bei dem zur Verfügung stehendem Polymer handelte es sich um ein hochkristallines HDPE.
Zunächst wurde das Material innerhalb des Kanals des Kapillarrheometers wie üblich, statisch-thermisch aufgeschmolzen. Nach Durchführung der Messung und der Korrektur der Daten mittels Bagley, Mooney und Rabinowitsch-Weissenberg wird deutlich, dass die drei genannten Korrekturverfahren nicht anwendbar sind, was auch in dem Diagramm ersichtlich wird. Die Fließkurven werden hierbei nicht vollständig beschrieben (Abbildung 2).

Abbildung 2: Bagley und Mooney Korrektur unvollständig durchgeführt

Aus der Mooney Korrektur ergibt sich damit nur ein unvollständiges Bild der Gleitgeschwindigkeit als Funktion der Schubspannung. So kann das Materialverhalten nicht bei höheren Durchsätzen bzw. Drücken beurteilt werden (Abbildung 3).

Abbildung 3: Gleitgeschwindigkeit über die Mooney Korrektur ermittelt – nur partiell möglich

Der Grund dafür, dass die bekannten Korrekturverfahren nicht angewendet werden können, sind die immer komplexer werdenden Polymere. Diese erhöhte Komplexität kommt durch die Verwendung von Zusatzmitteln, sogenannten Additiven, wie z.B. Weichmachern, Stabilisatoren und Lichtschutzmitteln zustande, welche die Polymerstruktur verändern. Das führt unter anderem zu höherem Molgewicht mit stärker ausgeprägter Kristallinität und besseren Festigkeiten. Da die genannten Korrekturmodelle aus dem Anbeginn der Polymertechnologie stammen und auf den damalig einfacheren Polymerketten basieren, scheitern diese oft an den deutlich komplexeren Polymeren der Gegenwart.
Die Lösung für dieses Problem ist das CONTIFEED, einem ADD ON für unsere Kapillarrheometer, welches eine homogene, thermisch-mechanische Plastifizierung des Materials ermöglicht. Durch die Mischwirkung der CONTIFEED-Schnecke werden die Polymerketten besser homogenisiert. Der Beweis dafür, dass die thermisch-mechanische Plastifizierung das Messergebnis maßgeblich beeinflusst, zeigt folgendes Diagramm (Abbildung 4).

Abbildung 4: Bagley, Mooney und Rabinowitsch-Weissenberg Korrektur - erfolgreich durchgeführt

Nachdem alle Korrekturen erfolgreich durchgeführt werden konnten. Kann die Gleitgeschwindigkeit auch im gesamten Messbereich ermittelt werden (Abbildung 5).

Abbildung 5: Gleitgeschwindigkeit über die Mooney Korrektur ermittelt über den gesamten Messbereich

Für diese Messung wurde das Material mittels des CONTIFEED thermisch-mechanisch plastifiziert. Die Schnecken basierende Beschickungsmethode des CONTIFEED ermöglicht nun die Anwendung der drei Korrekturverfahren, was die zwei vollständigen Fließkurven zeigen. Auf Basis dieser Daten lassen sich die Fließeigenschaften nun genau ermitteln.


Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass das neuartige thermisch-mechanische Homogenisieren mittels CONTIFEED, gerade wegen der immer komplexer werdenden Polymerstrukturen, für eine realitätsnahe Prüfung des Materials eine maßgebliche Verbesserung darstellt. Die erfolgreiche Anwendung der klassischen Korrekturverfahren, wie Bagley, Mooney und Rabinowitsch-Weissenberg sind der schlagende Beweis, dass die Art und Weise der Plastifizierung im Kapillarrheometerversuch alles andere als trivial zu werten ist!

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